Im September hab ich die neue Kategorie „Inspiring People“ ins Leben gerufen. Diesmal: Julia Andorfer. Die liebe Julia hat mir im Februar 2017 nachdem sie meinen Blog entdeckt hat, eine wundervolle E-Mail geschrieben. Wir schrieben eine Zeit lang hin und her und trafen uns schließlich. In unseren Leben gab es so viele Parallelen. So wie ich hat Julia ein Studium abgeschlossen und danach einige Zeit lang in einem Beruf gearbeitet, in dem sie am Ende keine Erfüllung fand. Auch sie beschloss zu kündigen und fuhr daraufhin erstmal mit dem Rad quer durch Deutschland (!) außerdem machte sie ebenfalls eine Yogalehrerausbildung auf Bali und ist nun gerade dabei sich ihre Selbstständigkeit als Arbeits- und Organisationspsychologin aufzubauen.
Julia’s Wort ist „Serendipity“ darunter versteht man den Effekt, dass man zufällig etwas entdeckt, obwohl man nach etwas ganz anderem gesucht oder geforscht hatte. Am besten kann man es wohl als „glücklicher Zufall“ ins Deutsche übersetzen. Ich kannte dieses Wort vor Julia nicht, war aber so begeistert davon, dass wohl sie nun dafür verantwortlich ist, dass es meinen Körper als Tattoo ziert. So nun aber genug von mir, viel Spaß beim Lesen von Julia’s Interview:
Julia, du bist ausgebildete Arbeits- und Organisationspsychologin und hast dich dazu entschlossen, deinen sicheren Job bei einem großen Unternehmen aufzugeben.. Wie hat dein Leben als Arbeitspsychologin in diesem Unternehmen ausgesehen? Wieso hast du dich schließlich zu dem mutigen Schritt entschlossen, das Unternehmen zu verlassen?
Ich habe nach Abschluss meines Psychologiestudiums mehrere Jahre als Consultant für eine große Unternehmensberatung gearbeitet und dort spannende, sehr abwechslungsreiche Projekte im Human Capital Bereich gemacht, insbesondere Führungskräfteentwicklung und Kompetenzmanagement. Ein Arbeitstag sah z.B. so aus: in der Früh gab es eine Projektteam-Besprechung, danach die Ausarbeitung einer Präsentation, dann nachmittags zu einem Kundentermin. Die Vielfalt und das Kennenlernen von unterschiedlichsten Unternehmen und deren Kulturen empfand ich als besonders bereichernd. Im Sommer 2016 schloss ich berufsbegleitend das Propädeutikum für die Psychotherapie-Ausbildung ab. Da hatte ich einen Punkt für mich erreicht, an dem ich merkte, dass die Zeit für Veränderung gekommen war und ich mich noch mehr persönlich entfalten wollte. Daher meine „Bauchentscheidung“, meinen Job aufzugeben – noch ohne langfristigen Plan…
Danach bist du alleine mit dem Rad quer durch Deutschland gefahren – wieso das? Und was hast du daraus gelernt? Was ist nach deiner Radtour passiert?
Rückblickend war die Radtour wie eine Metapher für meinen weiteren Weg. Gefühlt zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich nicht DEN Plan. Dadurch hat sich mein Blickwinkel erweitert, ich war offen und traf zur richtigen Zeit die richtigen Menschen, die mich auf meinem Weg zu meiner beruflichen Erfüllung begleitet und so passende Wendungen herbeigeführt haben.
Serendipity sage ich dazu – mein englisches Lieblingswort, die glücklichen Fügungen …
Und welche beruflichen Ziele verfolgst du momentan bzw. wie sieht dein Alltag jetzt aus?
Ich arbeite als selbstständige Psychologin in Projekten und Kooperationen. Ich baue mir hier gerade mein ganz persönliches Arbeitskonzept auf. Außerdem bin ich Teil der Initiative DNA – Das Neue Arbeiten, die zukunftsweisend Menschen verbindet und zusammenbringt, die bestehende Arbeitsformen hinterfragen, neu denken bzw. Dinge innovativ machen. Dieser Austausch bedeutet für mich eine Fülle an neuer Inspiration. Im Frühling habe ich zusätzlich eine Yogalehrerausbildung auf Bali gemacht und bin nun zertifizierte Yogalehrerin. Yoga und Julia – da stimmt anscheinend die Chemie ;-)
Ich bin ja der Meinung, dass unsere 40 Stunden Woche mit festen Arbeitszeiten an festen Dienstorten absolut nicht mehr zeitgemäß ist und jegliche Kreativität tötet. Wie stehst du dazu? Was sind deine Ansätze für zeitgemäßes Arbeiten und die Arbeitswelt der Zukunft?
Das sehe ich ähnlich. Es gibt mittlerweile viele gute Beispiele und tolle Bewegungen, die flexibles Arbeiten fördern und erleichtern. Ich bin ein großer Fan con Jobsharing. Zum Beispiel kenne ich die Gründerinnen von Tandememploy aus Berlin, zwei ganz tolle Frauen, die in Deutschland eine Plattform für Jobsharing und flexible Arbeiten aufgebaut haben. Nach dem Motto „0,5+0,5 = 1,5“ teilen sich in zunehmend mehr deutschen Untnernehmen zwei ähnlich qualifizerie Personen eine Stelle. Dadurch wird anspruchsvolle Teilzeitarbeit ermöglicht. Nebenbei bleibt Zeit für anderes: freiberufliche Projekte, individuelle Talententfaltung, sinnerfüllte Tätigkeiten, Herzensangelegenheiten. Auch die Vereinbarkeit von Karriere und Familie ist so um ein Vielfaches erleichtert.
Hast du es je bereut, deinen sicheren Alltag gegen dein jetziges Leben getauscht zu haben?
Natürlich gibt es immer wieder Momente, in denen ich mich nach Sicherheit und Struktur sehne und mich frage, wieso ich den ungewissen Weg gehe – und das in so jungen Jahren. Es ist keineswegs ein Spaziergang, den ich seit letztem Sommer unternehme. Wiederholt kommen Selbstzweifel und Bedenken. Dann würde ich gerne einen Blick in die Zukunft werfen können, um Gewissheit zu haben. Aber dann denke ich an meine Oma, die immer sagt „Es wird schon recht werden“ und damit meist auch Recht behält. Aber ja, einiges an Selbstmotivation und Mut gehört sicher dazu… Glücklicherweise erlebe ich oft viel Einmaliges und Unvergessliches genau in jenen Momenten, wenn Fragezeichen und Zweifel kommen. Dann werde ich durch neue Begegnungen, Ideen oder Rückmeldungen bestärkt und bestätigt. Momentan kann ich so viele Facetten meiner Persönlichkeit auch beruflich ausleben und dabei überzeugt sagen: ja, das alles bin ICH, Julia Andorfer!
Woher nimmst du die Kraft und Inspiration für das Erreichen deiner Ziele und das Leben deines Traumes?
Ich liebe es, mir Inspiration von Menschen zu holen, die mich mit ihrem Lebensweg und Tun beeindrucken. Solche Lebensgeschichten sauge ich regelrecht auf. Daraus ergibt sich für mich ein wahrer Inspirationsschatz. Irgendwann kommt mir dann plötzlich ein „julischer“ Einfall, eine Idee, ein Projekt und ich mache „mein Ding“ daraus. So war es mit der Radreise, mit der Yogaausbildung. Ich mag das, diese gewisse „julische“ Andersartigkeit.
Woher schöpfst du neue Energie, wenn dir Zweifel kommen und wie beseitigst du deine Zweifel?
Ich nehme mir immer wieder bewusst Zeit zum Reflektieren. Dann blicke ich zurück auf den Weg, der bereits hinter mir liegt, den ich sicher nie so hätte planen können im Vorhinein – und das sage ich als Organisationstalent mit einem Faible für Pläne und Struktur. Außerdem führe ich ein Dankbarkeits-Tagebuch. Darin halte ich die kleinen Besonderheiten des Tages fest. So erkenne ich auch an Tagen, wo gefühlt ein unendlich großer Berg vor mir liegt, mich Zweifel überkommen oder ich ungeduldig werde, dass viel Wunderbares auch an jenen Tagen passiert, mich stärkt, erfüllt und bereichert.
Hast du einen Tipp für meine Leser, die zwar gerne ihren Traum leben würden, denen aber einfach noch ein kleiner Schubs dazu fehlt?
Auch ich hatte lange gezögert und gehofft, dass ich plötzlich DEN Geistesblitz haben würde, wo und wie mein Weg weitergehen sollte. Ich wollte warten, bis ich mir DEN Plan zurechtgelegt hatte. Und dann spürte ich tief im Herzen, dass ich etwas ändern wollte – und zwar jetzt! Kurz zuvor hatte ich mir – intuitiv- eine Postkarte gekauft. Darauf befand sich ein Foto von einem Fahrrad und der Spruch „Jeder Tag ist wie eine neue Seite im Roman deines Lebens und nur du bestimmst, wie die Geschichte weitergeht…“. Zwei Monate später radelte ich durch Deutschland und begann so ein neues Kapitel in dem „Roman meines Lebens“.
Mein Rat an euch: hört in euch hinein und vertraut auf eure Intuition. Diese sorgt meist schon richtig für euch. Und klein beginnen – es muss nicht gleich die Trennung vom Arbeitgeber oder Partner, die große Weltreise oder Ähnliches sein. Schließlich beginnt jeder Weg mit dem ersten Schritt!
Gibt es noch etwas, dass du meinen Lesern gerne mitteilen würdest?
Do it YOUR way!
Danke Julia für das inspirierende Interview.